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Festakt: 40 Jahre LWL-Zentrum

Von der Schlusslichtposition zum hochqualifizierten Baustein psychiatrischer Versorgung

Ein Gruppe von Männern steht vor Publikum in einem Festsaal und lacht in die Kamera (Bild: LWL/Schufi)

Würdigten beim Festakt den Einsatz für Sicherheit und Therapie des LWL-Zentrums Lippstadt: LWL-Maßregelvollzugsdezernent Tilmann Hollweg, Landtagsabgeordneter Jörg Blöming, Pflegedirektor Stephan Deimel, Staatssekretär Matthias Heidmeier, LWL-Direktor Dr. Georg Lunemann, Kaufmännischer Direktor Tobias Brockmann, Landrats-Vize Markus Patzke, Bürgermeister Arne Moritz und Ärztlicher Direktor Bernd Wallenstein (v.l.)

Nov. 2024 | Auf vier Jahrzehnte mit ständiger Weiterentwicklung sowohl in baulich-sicherheitstechnischer als auch in therapeutischer Hinsicht haben wir am 20. November in einem Festakt zum 40-jährigen Bestehen als eigenständige Fachklinik zurückgeblickt.

Vor rund 150 geladenen Gästen betonte der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), Dr. Georg Lunemann, die wichtige gesellschaftspolitische Rolle der forensischen Psychiatrie zum Schutz der Allgemeinheit und dankte sowohl der Betriebsleitung als auch den Mitarbeitenden für ihre kompetente Arbeit. „Seit 40 Jahren übernehmen Sie hier Verantwortung für die Sicherheit der Gesellschaft und für die Behandlung und Resozialisierung von Menschen, die in dieser Gesellschaft meist keine große Lobby haben.“ sagte Lunemann. Für ihre Haltung und ihr Engagement sprach er den Klinikmitarbeitenden seinen größten Respekt aus.

Noch 1975 in der Psychiatrie-Enquête sei der Maßregelvollzug in der absoluten Schlusslichtposition der psychiatrischen Versorgung gesehen worden. Bundesweit und auch in der Eickelborner Klinik seien damals zahlreiche Defizite aufgefallen, berichtete Lunemann. Um diese zu beheben, habe der damalige LWL-Fachausschuss beschlossen, die forensische Abteilung aus dem damaligen Westfälischen Landeskrankenhaus als eigene Fachklinik auszugründen: Das Jahr 1984 markiert die Geburtsstunde des heutigen LWL-Zentrums, wenngleich die Anfänge der Behandlung psychisch kranker Rechtsbrüchiger in Eickelborn bis zu den Anfängen des vorigen Jahrhunderts zurückreichen.

Hohe Erwartungen erfüllt

Hohe Erwartungen an die Qualitätsverbesserung von Behandlung und Sicherheit wurden seinerzeit formuliert – zu Recht, wie sich heute zeige: Deutlich sichtbar wurde rund um das Klinikgelände ein fünfeinhalb Meter hoher Sicherheitszaun gebaut, 2004 mit der durchgehend besetzten Zentralpforte geschlossen. Die Klinik selbst wurde in fünf Abteilungen gegliedert, das Personal deutlich besser qualifiziert und die Prognosequalität auch durch den Einfluss vermehrter Forschung stark erhöht. Insbesondere in den letzten zwei Jahrzehnten habe sich die forensische Psychiatrie zu einem hochqualifizierten Baustein innerhalb der psychiatrischen Versorgung entwickelt, sagte Lunemann, „teilweise mit einer Behandlungsqualität, die in anderen psychiatrischen Versorgungsbereichen kaum noch zu erreichen ist.“

Lunemann erinnerte jedoch auch daran, dass es in den ersten Jahren des LWL-Zentrums zu schwerwiegenden Zwischenfällen gekommen sei. Zuletzt die Tötung der kleinen Anna-Maria 1994 habe regelrechte Schockwellen durch den Ort und auch durch die Klinik gejagt. „Danach ist hier kein Stein auf dem anderen geblieben“, sagte Lunemann, der Vorfall sei extern aufgearbeitet und zahlreiche Reformen eingeleitet worden. „Seitdem konnte die Zahl der Entweichungen stark gesenkt werden und die Sicherheit wurde insgesamt erhöht“, so Lunemann. Eine der damals eingesetzten Maßnahmen, die vielen im Ort wichtig gewesen sei, der so genannte Eickelborner 1:1-Ausgang, sei jedoch 2017 für rechtswidrig erklärt und zurückgenommen worden.

Gelungener Bürgerschaftsdialog

Auch im Miteinander zwischen Kommune und Klinik habe es seitdem ein Umdenken gegeben, betonte Lunemann. Ähnlich wie Lippstadts Bürgermeister Arne Moritz und der stellvertretende Landrat Markus Patzke verwies er auf den Austausch im Beirat und die Zusammenarbeit in der Sicherheitspartnerschaft als positive Beispiele für gelungenen Bürgerschaftsdialog. Einen wesentlichen Anteil an der Entlastung des größten Forensik-Standorts in Westfalen-Lippe habe auch die Eröffnung neuer Kliniken durch das Land gehabt, hob Lunemann in Richtung von Staatssekretär Matthias Heidmeier hervor, der in seinem Grußwort weitere neue Standorte ankündigte.  

Tiefgreifende Veränderungen

Tiefgreifende Veränderungen habe es auch in der Patientenstruktur gegeben, berichtete der Ärztliche Direktor Bernd Wallenstein im Fachvortrag: „Persönlichkeitsgestörte Sexualstraftäter, bis vor zehn Jahren noch in der Mehrzahl, werden heute kaum noch eingewiesen. Sie machten nur noch zehn Prozent aus, 70 Prozent dagegen die Psychosekranken, vornehmlich mit Körperverletzungsdelikten. Auch der Frauenanteil sei kontinuierlich gestiegen, von aktuell 341 stationären Patienten seien 67 weiblich. Was bringt die Zukunft? Wallenstein listete auf: Einen steigenden Anteil von Psychosekranken, mehr Frauen, zunehmend ältere Untergebrachte, insgesamt steigende Kapazitätsanforderungen. „Der Wandel des Zeitgeistes wird uns weiterhin vor Herausforderungen stellen. Und wir werden Lösungen dafür finden“, zeigt er sich überzeugt.